Es hat doch eine ganze Weile gebraucht, bis ich mich an diesen Titel gewagt habe - ein Mensch, der Vögel häutet - das hat doch ein bisschen gedauert, bis ich etwas über so jemanden lesen wollte.
Irgendwie hat Jim Kennoway, eben dieser Vogel-Häuter, dessen Geschichte hier erzählt wird, auch ganz gut zu dem Bild gepasst, dass ich mir über den Titel von ihm gemacht habe: ein alter, eigensinniger Mann der sich in das Sommerhaus der Familie auf eine Inseln in Maine zurückzieht um sich dort, man kann es nicht anders sagen, möglichst einsam zu Tode zu trinken und zu rauchen.
Unwillig, abweisend und uninteressiert wird er dort vom Besuch einer jungen Frau überrascht, der Tochter eines ehemaligen Freundes von den Salomon-Inseln (einer Inselgruppe in der Südsee). Jim war dort während des zweiten Weltkrieges im Einsatz und hat dort Tosca kennengelernt, dessen Tochter nun in den USA studieren möchte und für die ersten Wochen eine Unterkunft brauchte - und nun also bei Jim einzieht.
Diese junge Frau, Cadillac, konfrontiert Jim sehr schnell mit seinen Kriegserinnerungen - in Rückblenden erfahren wir Einzelheiten und Erlebnisse, die Jim heute noch bewegen und belasten.
Ab und zu erinnert sich der Alte auch an seine Kinheit und Jugend - dort mischen sich Zurückweisungen und Härte mit leichten und wunderbaren Momenten, dort lernen wir Helen kennen, Jims Frau, die kurz nach seiner Rückkehr aus dem Krieg gestorben ist.
Dies ist - glücklicherweise wie ich finde - nicht die Geschichte von der wundersamen Errettung eines alten einsamen Trinkers durch eine junge und lebenslustige Frau. Das hätte ich Jim auch nicht abgenommen, so traumatisiert, einsam und verbittert, wie er geschildert wird, so vom Leben abgewandt und feindselig wäre das für mich eine eher unglaubhafte Geschichte geworden.
Die Rückblenden zeigen, wie Jim zu dem wurde, der er im Alter ist, sie zeigen aber auch, wie sehr ihm die Vögel am Herzen lagen, wie geschickt und wie begabt er darin war, die Tiere einmal zu kennen und zu klassifizieren und dann auch zu präparieren, er war ein Spezialist und ein begabter Vogelkundler.
Das Buch ist sehr vielschichtig und bietet neben dem eigentlichen Erzählstrang noch sehr sehr viel Nachdenkenswertes. Ganz besonders gut hat mir gefallen, wie es Alice Greenway gelingt fast wie im Nebenbei ganz lapidar verschiedene Ansichten nebeneinander zu stellen - Jims Kriegserlebnisse, die ihn verrohen lassen und auch dazu bringen, sein Geschick im Häuten von Tieren zu pervertieren wird den Gebräuchen der 'primitiven' Kulturen der Salomon-Inseln gegenübergestellt - der angemessen Umgang mit Toten wird thematisiert und ganz leise und sehr wertfrei werden grundverschiedene Umgangsweisen geschildert - nie so, dass ich mich belehrt fühlte - aber doch so, dass ich immer wieder darüber nachdenke.
Wenn man Hemingways einsamen unfreundlichen Alten etwas abgewinnen kann fühlt man sich in dieser Geschichte sicher sehr schnell wohl - für mich bleiben aber die Nebenstränge und -ideen das Beeindruckende an diesem Buch, das noch eine ganze Weile nachwirkt.