Gerhard Jäger - Der Schnee, das Feuer, die Schuld und der Tod

An seinem achtzigsten Geburtstag begibt sich John Miller auf eine Reise nach Innsbruck, um dort Nachforschungen nach seinem Cousin zu betreiben, der im Lawinenwinter 1951 spurlos verschwand und dessen Schicksal John bis heute keine Ruhe lässt.
Das Landesarchiv hat alle Unterlagen, die zum Verschwinden des damals 25-jährigen Max Schreiber noch zu finden waren, unter anderem auch Polizeiberichte und ein Manuskript des jungen Mannes, das in den Wochen vor seinem Verschwinden von ihm geschrieben wurde, für John herausgesucht und ihm zur Verfügung gestellt.

Schon in auf den ersten Seiten werden auch Erinnerungen an Rosalind, Johns verstorbene Frau eingeschoben, im Verlauf der Geschichte begleiten wir John und Rosalind immer wieder bei wichtigen Momenten und Ereignissen ihres Lebens zusammen.

Wenn man die Gegenwart des Erzählenden John Miller und die Erinnerungen an sein Leben mit Rosalind wie zwei Erzählstränge betrachtet, so kommt nun ein dritter dazu, nämlich die Geschichte des jungen Historikers Max Schreiber, der sich im Herbst 1950 in ein Bergdorf zurückzieht, um dort einen Roman zu schreiben.
Die Dorfbewohner begegnen dem jungen Mann anfangs nicht sehr freundlich und als sich herausstellt, dass Schreiber über die Geschichte der Katharina Schwarzmann schreiben möchte, die etwa hundert Jahre zuvor tragisch in ihrem Haus verbrannt ist, wird die Stimmung fast feindselig. Schreiber bleibt lange ein ausgeschlossener, einsamer Beobachter, der immer wieder gewarnt wird, die alte Geschichten ruhen zu lassen.

Der Einstieg in dieses Buch ist ein wenig verwirrend, es beginnt mit der Schilderung einer Fotografie einer getöteten jungen Frau, dann folgt die Weissagung einer Indianerin 'Ich sehe einen großen Vogel. Er wird dich nach Hause bringen an deinem achtzigsten Geburtstag.' um dann in die Gegenwart der Geschichte zu John Miller zu springen, der an seinem achtzigsten Geburtstag nun also tatsächlich in einem großen Vogel auf dem Weg nach Österreich sitzt.

Immer wieder wechseln die Handlungsstränge, sehr klug, und mit leichter Hand verwebt Jäger die Rückblicke des Alten mit der Gegenwart in Innsbruck im Landesarchiv und mit den Schilderungen des Max Schreiber, immer wieder tauchen an anderen Stellen bekannte Motive auf und breiten im nächsten Strang ein Ereignis vor ... wunderbar gemacht.

Sehr schnell verdichtet sich Max' Geschichte , der Winter im Bergdorf, die Einsamkeit des jungen Mannes, die Enge des Dorflebens ... ich hab mich beimLesen erwischt, das ich immer angespannter wurde, je mehr der Winter voranschritt und je mehr sich aus allen drei Fäden ein Garn spinnen lies, hier ein Hinweis, den man dort erst wirklich versteht - hier ein Rückblende, deren Bedeutung sich erst dort wirklich erschließt ...
und das alles, ohne dass es wirklich konstruiert wirkt - wirklich beeindruckend.
Auch die ruhige Sprache hat mir gefallen, die oft mit ganz wenigen Worten sehr eindringliche Bilder und Stimmungen entstehen lässt - einfach rundherum gelungen und lesenswert!

Hier noch ein paar Zitate:

  • Sie öffnet die Tür, geht voran, er folgt ihr. Eine einsame nachte Glühbirne gießt ihr Licht aus.
  • Als Schreiber schließlich aufsteht, aus dem Wir ihrer Augen auftaucht, seine Hand aus ihrer Hand löst, ...
  • Und er blickt zurück zum Dorf, alles liegt unter einer dicken weißen Schneedecke, auf der die Sonne blinkt, fast schon meterhoch die Schneewände auf den Seiten der freigeschaufelten Straßen, Gassen und Wege, eine idyllische Szene, eine friedliche Szene, die nichts verrät von den Leichen, die im Keller liegen, und Schatten, die nachts ihrer Wege gehen